Zwischen Friedensaktivistin und Patriotin. Wie al-Majallah die Ausstellungen von Inji Efflatoun und Tahia Halim in der DDR und darüber hinaus feierte
- 1970
- 1971
- Inji Efflatoun
- Tahia Halim
Ein Gastbeitrag der Kunsthistorikerin Hala Ghoname
"Am wichtigsten aber ist meines Erachtens - und es ist ein Verdienst von Inji, es nicht plump auszudrücken - daß diese Bilder des Volkslebens, der einfachen Menschen und Szenen keine folkoristischen Aufzeichnungen, keine beschaulichen Genre-Darstellungen sind, sondern daß sie eine vitale Kraft, die tiefe Liebe zum eigenen Lande, eine reiche Kenntnis des Lebens und der Seele des Volkes offenbaren. Die Werke sind Zeugnisse jener großen menschlichen Leidenschaft, die Inji in ihrem politischen Leben so mutig und aufrecht bewiesen hat."
Mit diesen anerkennenden Worten für die Gemälde von Inji Efflatoun, die von keinem Geringeren als dem berühmten italienischen Maler Renato Guttuso (1912-1987) stammen, feierte al-Majallah die Ausstellung der ägyptischen Künstlerin von 1970 in Dresden. Zu den langjährigen, aber kaum untersuchten kulturellen Propagandamitteln der DDR gehörte die in Dresden erscheinende arabische Zeitschrift al-Majallah: Ṣaḥifa Muṣauwara min Jumhūrīyat Almāniyā al-Dimūqrāṭīya (Das Magazin: Eine illustrierte Zeitung aus der Deutschen Demokratischen Republik). Die DDR sponserte diese arabischsprachige Zeitschrift von 1959 bis 1990; sie wurde von der Freundschaftsgesellschaft DDR - Arabische Länder unterstützt und von der Deutsch-Arabischen Gesellschaft in der DDR herausgegeben (FID/MENALIB, 2022). Das Magazin, das sowohl lokal als auch in den arabischen Ländern Ägypten, Irak, Libanon, Syrien, Tunesien, Sudan und Algerien verbreitet wurde, zeichnete sich unter anderem dadurch aus, dass es von deutschen Einheimischen und Intellektuellen produziert wurde, die die Sprachen des Nahen Ostens beherrschten, und nicht von arabischen Bürger:innen, die in der DDR gelebt hatten.
Als kulturpolitisches Blatt lieferte al-Majallah eine lebendige und detaillierte Dokumentation der Kunstbewegung in Ostdeutschland in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens. Dies zeigt sich deutlich in der Nachzeichnung von Ausstellungen, künstlerischen Studienreisen und Interviews mit deutschen, arabischen, lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Künstler:innen in der DDR und darüber hinaus. Darüber hinaus bot das Magazin eine ergiebige Quelle für Daten nicht nur über arabische Künstler:innen im Ausland und Besucher:innen der DDR, sondern auch über dortige arabische Kunststudierende, mit besonderem Augenmerk auf diejenigen, die ihre künstlerische Ausbildung an ostdeutschen Universitäten absolviert hatten oder als "Künstler des Volkes" gefeiert wurden.
Inji Efflatoun (1924-1989) war eine dieser Künstler:innen; sie war eine ägyptische Malerin, Feministin und Aktivistin, die ihre politische Karriere 1942 als Mitglied der kommunistischen Organisation in Ägypten Iskra/al-Sharārah begonnen hatte und Mitte 1945 die feministische und antikolonialistische Liga junger Frauen "Ligue des jeunes femmes des universités et des instituts" mitbegründete (Osman, 2021, p. 12). In den 1950er Jahren begannen Efflatouns Werke, sich auf das Leben marginalisierter Bäuer:innen und die Arbeiterklasse zu konzentrieren und zu einem eher sozialistischen Realismus zu tendieren (Turk, 2019, p. 40). Ebenfalls als Verfechterin des Friedens bewundert, lautete der Titel des al-Majallah-Artikels "Inji Efflatouns Gemälde erregten die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde in der Deutschen Demokratischen Republik". Das Magazin beschrieb, wie die als "Kunstfreunde aus der Deutschen Demokratischen Republik" bezeichneten Bürger:innen Gelegenheit hatten, eine Reihe der wichtigsten Kunstwerke der berühmten arabischen Künstlerin kennen zu lernen.
Nach Angaben von al-Majallah wurden die Werke von Efflatoun im Kulturpalast Dresden und in der Neuen Berliner Galerie ausgestellt. Dem Ausstellungskatalog ist zu entnehmen, dass vom 08. bis 25. September 1970 insgesamt 48 Gemälde Efflatouns zu sehen waren. Die Werke konzentrierten sich hauptsächlich auf das ländliche Leben und zeigten Szenen von Frauen, Bäuer:innen, Arbeiter:innen und Ansichten des täglichen Leben auf dem ägyptischen Land. Darüber hinaus spiegeln mehrere Gemälde die Erfahrung der Inhaftierung der Künstlerin in den Jahren 1959-1963 wider, die Teil einer Verhaftungswelle des nasseristischen Regimes gegen kommunistische Persönlichkeiten war – wie etwa das Gemälde mit dem Titel "Kauernde Frauen" von 1960 (Ministerium für Kultur, 1970). Der intensiv bebilderte Artikel von al-Majallah zeigte nicht nur Beispiele von Efflatouns Kunst, sondern auch die Künstlerin selbst, wie sie den Gästen ihre Bilder erläuterte und sogar ihren Besuch in einem lokalen Kunstgeschäft in Dresden, um Material zu kaufen. Notably, the article extensively highlights how the East German art friends were fascinated by “the unique charm of such paintings”, which had been based on the fact that Inji EfflatounDer Artikel hebt insbesondere hervor, wie die 'ostdeutschen Kunstfreunde' von "dem einzigartigen Charme dieser Bilder" fasziniert waren, der darauf beruhte, dass Inji Efflatoun - so sagte sie selbst - "ihre künstlerischen Sujets suchte und immer in der ägyptischen Natur und den Menschen, die dort leben, fand". Außerdem, so al-Majallah, "sahen die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in der ägyptischen Malerin auch eine tapfere Frau und ein Mitglied des Weltfriedensrates, die sich mit aller Kraft für Frieden und Fortschritt einsetzte". (al-Majallah, 1971, p. 9).
Fünf Jahre später unterstrich die Bezeichnung der 'Friedensverfechterin' weiterhin die geschätzten sozialistischen Eigenschaften von Efflatoun, als al-Majallah eine weitere Ausstellung dokumentierte, an der sie teilgenommen hatte, diesmal jedoch im Kultur- und Informationszentrum der Deutschen Demokratischen Republik in Kairo. Der Titel der Reportage lautete "Eine Botschaft aus Kairo: Abrüstung zu wessen Nutzen?". Efflatoun, Friedensaktivistin und Mitglied des Weltfriedensrats, wurde gezeigt, wie sie Führungen durch die Ausstellung leitete und Khālid Muḥyī al-Dīn, dem Vorsitzenden des Weltfriedensrats in Ägypten, sowie Reiner Neumann, dem ostdeutschen Botschafter in Kairo, die Werke erläuterte (Skilands, 1976, p. 28).
Jahrzehntelang galt Efflatoun als die einzige Künstlerin aus Ägypten, die in der DDR ausstellte. Doch al-Majallah wies auf eine andere Tatsache hin, ihre ägyptische Künstlerkollegin Tahia Halim betreffend (1919-2003). Halim hatte ebenfalls ihre Bilder in der ostdeutschen Hauptstadt Berlin ausgestellt. In einer ausführlichen Reportage mit dem Titel "Eine ägyptische Malerin, die sich mit dem Volk beschäftigt" gab al-Majallah einen Überblick über Halims Ausstellung, die im Winter 1971-1972 in der Akademie der Künste stattfand und bemerkenswerte Anerkennung fand. Karin Rohden, die Autorin des Artikels, fing mit der Beschreibung dessen an, was sie "eine wunderschöne und einzigartige Welt, die die Besucher der Ausstellung von Tahia Halim in Berlin empfing" nannte. Rohden betonte, dass die Werke von Halim ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Patriotismus durch die "magische Schönheit und die warmen Schattierungen in den Gesichtern der Porträts von Bauern und nubischen Mädchen" vermittelten. (Rohden, 1972, p. 42).
Darüber hinaus würdigt der Artikel anhand eines Überblicks über die Biografie der Künstlerin, Halims sozialistischen Patriotismus und ihr Engagement für die 'Sache ihres Volkes', die Wertschätzung des kulturellen Erbes und der künstlerischen Tradition sowie die Abkehr von 'bürgerlichen Tendenzen' in der Kunst. Entsprechend trug Halims Anpassung an diese Modelle zu einem großen Teil dazu bei, dass sie ihren eigenen, unverwechselbaren Stil entwickeln konnte, der nach Ansicht der Autorin "sehr originell und frei von jeglichem Hang zu populären formalen Einflüssen ist, was sie von einigen ihren Kollegen unterscheidet, insbesondere von denen, die von den "Moderne"-Strömungen der spätbürgerlichen Kunst mitgerissen wurden. Die Verwendung traditioneller Stilelemente hat nichts mit trivialen Formalismen zu tun, sondern ist Ausdruck einer späteren kreativen Entwicklung, die auf der Annahme beruht, dass die Künstlerin von einer patriotischen Kunsttradition inspiriert wurde." (Rohden, 1972, p. 43).
Letztlich repräsentierten Inji Efflatoun und Tahia Halim für die DDR und durch die Blätter von al-Majallah ideale Beispiele "sozialistischer patriotischer Künstler". Die beiden Malerinnen stellten ein gelebtes Bekenntnis zur propagierten Botschaft der Kunst dar, die der Dresdner Künstler und Vorsitzende des Verbandes Bildender Künstler, Gerhard Bondzin, im selben Magazin beschrieb, in dem er die Bedeutung der Kunst für die "Wahrung des Weltfriedens, die Solidarität mit den nach Freiheit strebenden Völkern und die Schönheit der sozialistischen Ideologie" hervorhob. Bondzins Äußerung erfolgte während der VII. Kunstausstellung der DDR, über die al-Majallah berichtete und die den Titel "Positive Haltung in der Kunst" trug. (Bondzin, 1973, p. 2).
Für weiterführende Informationen:
al-Majallah, 1971. Inji Efflatoun's paintings captured the attention of the Friends of Arts in the German Democratic Republic. al-Majallah: Ṣaḥifa Muṣauwara min Jumhūrīyat Almāniyā ad-Dimūqrāṭīya, Issue 1, pp. 8-9.
Bondzin, G., 1973. Positive Attitude in Art. al-Majallah: Ṣaḥifa Muṣauwara min Jumhūrīyat Almāniyā ad-Dīmūqrāṭīya / The Magazine: An Illustrated Newspaper from the German Democratic Republic, 1 January, pp. 2-6.
FID/MENALIB. (2022, January 11). MENALIB. Retrieved from Twitter: https://twitter.com/menalib/status/1480908219878973444?s=20&fbclid=IwAR0uZWr22_SkcvBZSEOgK5Jm4EQBRctbYJaHepadJjn_ovGLCJ9RTibfezk
Ministerium für Kultur, 1970. Inji Efflatoun: Vereinigte Arabische Republik Malerei. 1st ed. Berlin: Ministerium für Kultur.
Osman, M., 2021. Inji Efflatoun: Between the Revolutionary and Subjectivity. 1st ed. Cairo: The Egyptian Public Commission of Books.
Rohden, K., 1972. An Egyptian Painter Concerned with the People. al-Majallah: Ṣaḥifa Muṣauwara min Jumhūrīyat Almāniyā ad-Dimūqrāṭīya , Issue 5, pp. 42-43.
Skilands, S., 1976. A message from Cairo: Disarmament for whose benefit. al-Majallah: Ṣaḥifa Muṣauwara min Jumhūrīyat Almāniyā ad-Dimuqrāṭīya, Issue 1, p. 28.
Turk, S. d., 2019. Street Art in the Middle East. 1st ed. London: I.B. Tauris.