L'autre Allemagne hors les murs
- 19.01.1990 — 21.01.1990
Im Austausch zwischen dem Ostberliner Kunsthistoriker Christoph Tannert und dem Pariser Journalisten Maurice Najman entstand das Projekt L'autre Allemagne hors les murs (das andere Deutschland außerhalb der Mauern), das vom französischen Kulturminister Jack Lang finanziell unterstützt wurde. Weiterhin an der Organisation beteiligt war ein Team um die Kunsthistoriker:innen Ulrich Domröse, Gabriele Muschter, Inga Kondeyne und Eugen Blume. Im Videointerview erzählt der Künstler Klaus Killisch von seiner Beteiligung am dreitägigen Ereignis und Eindrücken, die ihm in Erinnerung geblieben sind.
An einem Januarwochenende im Jahr 1990 verwandelten sich die Hallen von La Villette, ehemals alter Pariser Schlachthof, in ein dreitägiges begehbares Kunstereignis für das Pariser Publikum. In Performances, Ausstellungen oder Konzerten gaben zweihundert Künstler:innen, Schauspieler:innen, Modeschöpfende, Tänzer:innen, Kunstkollektive und Weitere, Einblick in die junge Kulturlandschaft der DDR. Die Szene hatte Freiräume gefunden in den letzten Jahren der DDR und war weiterhin geprägt von den vorangegangenen revolutionären Umwälzungen des Landes. Diese Erfahrungen drückten sich in den Kunstwerken aus und wurden in Performances live vermittelt. Ein Beispiel ist die Arbeit Stalingraben von Kurt Buchwald und Joerg Waehner. Die beiden Künstler befragen in ihrer Performance, was Macht aus Menschen macht. Zwischen Marschmusik und propagandistischen Redeauszügen, wird das gewaschene und geschrubbte Portrait Stalins mit Kartoffelbrei verarbeitet und in Gläser eingemacht. Wortwörtlich und auf mehreren Sinnebenen erfahrbar gemacht, geht es um die Verarbeitung und Säuberung von Objekten und Doktrinen. Am Ende der Performance bleibt eine Installation zurück, die für sich steht.
"Aucune complaisance dans la création est-allemande, inspiration expressioniste, critique tous azimut, dérision, caricature, et mélange des genres artistique: un mariage forcé par des années d'interdits" (Keine Selbstgefälligkeit im ostdeutschen Kunstschaffen - expressionistische Inspiration, Kritik, Spott, Karikatur und Vermischung der künstlerischen Genres: eine durch jahrelange Verbote erzwungene Ehe) verlautet eine kurze Rezension der Veranstaltung in den Abendnachrichten des 19.01.1990, auf France Région 3.
Die Künstler:innen und ihr Umfeld werden beschrieben als "junge, protestierende, rebellische Menschen, die lange Zeit unterdrückt wurden und sich heute austoben", deren Priorität es sei, ihre Identität in der Zeit und Stimmung des soziopolitischen Umbruchs zu wahren.
Mit freundlicher Genehmigung von Kurt Buchwald und Joerg Waehner.
Im selben Jahr des Kunstereignisses erschien der Dokumentarfilm La Villette bei der DEFA, der einen Einblick in die Ausstellungen gibt und einige Künstler:innen dazu befragt.
Weiterführende Links:
Das Plakat zum Ereignis: https://www.emuseum.ch/objects/88299/est-ou-est--lautre-allemagne-hors-les-murs--champ-libre-a
Zur Performance von Joerg Waehner und Kurt Buchwald: http://www.oe-ae.com/Timeline_1990.html; https://www.wahrnehmung.de/Perfomance2.htm
Zur Fernsehdokumentation aus der Produktion von France Région 3: https://www.ina.fr/ina-eclaire-actu/video/cac90048811/artistes-est-allemand-a-la-villette