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Der Maler, Grafiker und Hochschullehrer Professor Alfred Hesse – Studienreisen in die Mongolei und nach Rumänien

Thema: Reisen
Zeitspannen:
  • 1964
  • 1967
Künstler:innen:
  • Alfred Hesse
Dr. Antje Kakuschke beschreibt in diesem Beitrag das umfangreiche Reisewerk des Dresdner Künstlers Alfred Hesse, der in den 1960er Jahren unter anderem in die Mongolei und nach Rumänien reiste.
Alfred Hesse beim Schreiben eines Gästebucheintrags in Bukarest, 1967.
Foto: Alfred Hesse Archiv.

Alfred Hesse (1904-1988) war ein Dresdner Maler, Grafiker und Wandbildner. Verwurzelt in der Neuen Sachlichkeit, ist sein Schaffen der realistischen Kunstrichtung zuzuordnen, auch wenn besondere Erlebnisse zeitweise zu expressiven bis surrealistischen Ausdrucksweisen führten. Zwei Strömungen prägten seinen künstlerischen Lebensweg. Aus einer ungebundenen freien Schaffensfreude entstanden Aquarelle, Zeichnungen und Ölgemälde. Die andere Strömung seines Schaffens war enger an gesetzte Grenzen, an Aufgaben und Zwecke gebunden - die Wandmalerei.

Hesse wurde am 18. Mai 1904 in Schmiedeberg geboren. Seine künstlerische Laufbahn begann  mit einer Lehre zum Dekorationsmaler und später einem Studium an der Akademie für Kunstgewerbe Dresden. Schon kurz nach dem Studium erhielt Hesse seinen ersten künstlerischen Großauftrag vom Hygienemuseum in Dresden für einen 32m langen Wandfries zum Thema „Ernährungsgeschichte der Menschheit“, welches 1945 bei den Luftangriffen auf Dresden jedoch vernichtet wurde. Sein künstlerisches Werk nahm frühzeitig deutschlandweit Einzug in Ausstellungen in Dresden, Berlin, München oder Kiel, jedoch brach diese Entwicklung durch den Zweiten Weltkrieg zunächst ab. Hesse musste Militärdienst in Holland leisten und kehrte 1946 in das völlig zerstörte Dresden zurück. Die Auseinandersetzung mit Faschismus und Krieg, aber auch der Neuaufbau dominierte zu dieser Zeit  Hesses Schaffen. Er wurde Mitglied in der Dresdner Künstlergemeinschaft "DAS UFER – Gruppe 1947 Dresdner Künstler".

Seine Fähigkeiten in Kaseinmalerei, Sgraffitotechnik oder Glasmosaik fanden Niederschlag in mehreren architekturgebundenen Kunstwerken, so beispielsweise in dem ersten Wandgemälde, welches nach 1945 in Dresden eingeweiht wurde. Durch diese besonderen Qualifikationen erhielt der Künstler 1957 zunächst eine Dozentenstelle an der Hochschule für bildende Künste Dresden und wurde 1965 zum Professor für Wandmalerei ernannt. Nach schließlich 13-jähriger Tätigkeit verließ Hesse 1970 die Hochschule. Nach der sich anschließenden späten intensiven Schaffensperiode mit zahlreichen Darstellungen der Ostsee, vom Elbtal und Erzgebirge, sowie Porträts und Kinderzeichnungen starb Hesse 1988 in Dresden.

Seine Werke wurden bisher in über 200 Ausstellungen in Deutschland, der Mongolei, in China, Ungarn, Finnland, England und Polen gezeigt. In größerem Umfang finden sich seine Werke in den Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie im Kunstdepot des Bundes Berlin einschließlich der diplomatischen Vertretungen Paris, Rom, Lagos, Wien, New York, Helsinki, Mexiko, Porto, Shanghai u.a. In Dresden ist er in mehreren Museen der Staatlichen Kunstsammlungen und in der Städtischen Galerie vertreten. Das Deutsche Historische Museum und die Neue Nationalgalerie in Berlin, die Kunstsammlungen Chemnitz, das Museum Junge Kunst in Frankfurt und viele weitere Museen haben Einzelwerke im Bestand.

Reisewerke von Alfred Hesse: Mongolei 1964

Hesse war zeitlebens ein Reisender, ob auf anderen Kontinenten, in anderen Ländern oder im engeren Umfeld zwischen Mittelgebirge und Ostsee, der Natur und Landschaft immer eng verbunden. Nachweisliche Studienreisen unternahm er nach Tschechien, Ungarn, Österreich, in die Slowakei (1930), nach Holland (1935), Frankreich (1957, 1964), in die Mongolei (1964), nach Rumänien (1967) und in die damalige BRD.

Zu einer einschneidenden Änderung im Schaffen Alfred Hesses führte 1964 seine wichtigste Studienreise: Hesse wurde vom Ministerium für Kultur und vom Verband Bildender Künstler der DDR für vier Wochen in die Mongolei delegiert, um einen Freundschaftsvertrag des VBK mit dem mongolischen Künstlerverband in Ulan-Bator abzuschließen. Das wochenlange Leben unter dem weiten Himmel und mit mongolischen Menschen ließ den Maler die Wirklichkeit in ganz anderen Perspektiven sehen. Sechstausend Kilometer Entfernung führten zur Entdeckung einer für ihn absolut neuen Welt - nicht nur "anders" in Klima, Landschaft, Natur oder Kultur, sondern am entscheidendsten anders durch eine bisher nie gekannte und empfundene Weite. Neben dem Besuch der Kunstschule Ulan-Bator und Kunstgesprächen methodischer Art über Ausbildungswege von Künstlern bot sich Hesse ausreichend die Gelegenheit, die Hauptstadt und einen großen Teil des Landes kennenzulernen. So verweilte er eine Woche in Charachorin und porträtierte dort viele mongolische Männer, Frauen und Kinder. Es entstanden Skizzen und Zeichnungen der weiten Landschaften mit verstreuten Jurten, Ansichten des Flusses Tola oder des Klosters Erdene Dsuu. Zurück in Ulan-Bator besuchte er die Oper „Duyr“, die farbigen Gewänder werden sich später in seinen Gemälden wiederfinden. Es fand neben diversen Feierlichkeiten anlässlich der Zusammenarbeit der Künstlerverbände auch eine Ausstellung seiner Werke in der Kunstschule statt. Etwa 100 Tusche- und Bleistiftzeichnungen fertigte Hesse während dieser Reise, aber die weitere Umsetzung in farbenfreudige und ausdrucksstarke Aquarelle und Gemälde beschäftigte ihn viele weitere Jahre. Die Eindrücke dieser Reise belebten sein künstlerisches Schaffen stark und bewirkten, nach eigener Angabe, eine Veränderung der künstlerischen Sicht und Gestaltung. Die Fahrten durch unwegsame Steppen, die schwierigen Überquerungen von Flussläufen, Begegnungen mit riesigen Pferdeherden und Kamelkarawanen boten dem Künstler eine Fülle neuer Bildmotive. Die Ausstellung „Erlebnis Mongolei“, auf der viele Aquarelle und Gemälde zu sehen waren, wurde 1965 in den Ostasiatischen Sammlungen des Berliner Pergamonmuseums gezeigt. Es folgten viele weitere Ausstellungen, in denen seine Ergebnisse der Mongoleireise zu sehen waren. 

Rumänien 1967

Eine weitere besondere Studienreise war 1967 Alfred Hesses Besuch in Rumänien. Er lernte dabei die Städte Bukarest, Konstanza, Mamaia, Mangalia, Jassy, Suceava, Humor, Voronet und Dragomirna kennen. Auf dieser Reise, die er im Auftrag der Hochschule unternahm, studierte er die moderne rumänische Architektur und baugebundene Kunst, besuchte Museen / Kulturhäuser und tauschte sich mit einer Vielzahl von Künstlerkollegen und Architekten aus. Scheinbar noch während der Reise entstanden viele Skizzen und Zeichnungen. Besonders beeindruckt hatte ihn offenbar das Kloster Voronet, denn dieses hält Hesse später in mehreren Aquarellen und einem Ölgemälde fest.

Diese und viele andere Kunstwerke befinden sich im Alfred Hesse Archiv, welches von Dr. Antje Kakuschke gegründet wurde. Das Archiv widmet sich der Erforschung und Würdigung des Lebens und der Werke von Alfred Hesse, der Recherche sowie der wissenschaftlichen kunsthistorischen Auswertung seiner Biografie und des künstlerischen Nachlasses. Ein weiteres Anliegen liegt in der Öffentlichkeitsarbeit über das Leben und das Werk des Künstlers, sowie in der Umsetzung von Ausstellungen und Publikationen.

 

Gastbeitrag von Dr. Antje Kakuschke, Hamburg, 16.03.2024.

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